Die Digitalisierung als Allheilmittel in der Pflege?
Von Robotern im OP-Saal über Gesundheits-Apps bis hin zur Nutzung telemedizinischer Anwendungen: Die Digitalisierung im Gesundheitswesen wird bislang sehr stark aus der medizinischen Perspektive betrachtet und vorangetrieben. Das greift allerdings zu kurz, wenn man das volle Potenzial der digitalen Möglichkeiten sowohl im Sinne der Patienten*innen als auch der Leistungserbringer ausschöpfen will. Vor allem im Kontext der Kranken- und Altenpflege muss diskutiert werden, welchen Beitrag die digitalen Technologien zukünftig leisten können.
Dass der Pflegebereich im deutschen Gesundheitswesen momentan großen Herausforderungen gegenübersteht, ist keine Neuigkeit. Der akute Fachkräftemangel bei gleichzeitiger Alterung der Bevölkerung erhöht die Arbeitsbelastung für die Beschäftigten in einem schwer zumutbaren Ausmaß. Zahlreiche Pfleger*innen mahnen mittlerweile auch öffentlich an, dass ihnen oft gar keine Zeit bleibt, um ihrem eigenen Pflegeanspruch gerecht zu werden. Die Leittragenden sind dabei letztendlich die Patient*innen.
Digitale Technologien mit bislang geringer Relevanz im Pflegebereich
Tom Heilmann von der Universität Duisburg-Essen stellt im Rahmen der Studie Aufwertung der Krankenpflege – Welchen Beitrag kann die Digitalisierung leisten?, die im aktuellen IAQ-Report erschienen ist, fest: „Dieser Pflegenotstand, der neben der Kranken- auch die Altenpflege betrifft, ist Ausdruck einer derzeit geringen Attraktivität des Berufsfeldes Pflege.“ Die Studie beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, inwieweit der Einsatz digitaler Technologien zu einer Aufwertung der Arbeit von Pflegekräften beitragen kann. Die neun Experten*innen, die im Rahmen der IAQ-Studie befragt wurden, sind sich diesbezüglich einig: Momentan kann die Digitalisierung nicht zu einer Aufwertung des Pflegeberufs beitragen. Zwar trage zum Beispiel die elektronische Patientenakte schon vergleichsweise stark zu einer digitalisierungsbedingten Veränderung der Arbeitsinhalte und -abläufe bei. Insgesamt besäßen die digitalen Technologien jedoch eine zu geringe Relevanz für die Krankenpflege, um diese entscheidend aufzuwerten. Dabei werde vor allem die Interaktionsarbeit mit den Patienten*innen als Kern der Pflegearbeit bislang kaum durch die Digitalisierung berührt.
Die Digitalisierung der Pflege braucht eine klare Strategie
Diese Ergebnisse machen es umso dringender, den politischen und wirtschaftlichen Diskurs über den Einsatz digitaler Technologien im Pflegebereich weiter voranzutreiben. Nach Ansicht der Grünen-Bundestagsfraktion bedarf die Digitalisierung im Sinne der Pflegekräfte und Patienten eine klare Strategie und eine nachhaltige Finanzierung. Um zu diskutieren, was die Politik diesbezüglich leisten muss, hatten die Grünen zu einer Tagung zum Thema The Future of Care - Menschliche Pflege in einer digitalen Welt am 18. Februar eingeladen und veröffentlichten zudem ein Papier, in dem sie unter anderem fordern, dass die Pflegeversicherung 40 Mio. Euro zu dem bestehenden Innovationsfonds der Krankenkassen beisteuern soll. (kliniksprecher.de wird dieses Thema weiter verfolgen)
Letztendlich bedarf es für die Aufwertung der Krankenpflege allerdings einer gesamtgesellschaftlichen Anerkennung des Berufs als professionelle Tätigkeit, zu diesem Ergebnis kommt auch die IAQ-Studie. Ob die Digitalisierung in diesem Zusammenhang überhaupt ein entscheidender Hebel ist, bleibt fraglich. Fest steht jedoch, dass sie dazu beitragen kann, wieder das in den Mittelpunkt zu stellen, was die Besonderheit des Pflegeberufs erst ausmacht: Die Zusammenarbeit mit dem Patienten.
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Kommentar von Traute76 |
Das Qualitätsmanagement im Spitex Bereich hat vielleicht nicht im gleichen Mass die Vorteile, die in grösseren Einrichtungen erzielt werden. Jedoch sollte nicht gänzlich drauf verzichtet werden.