Mitarbeiterzufriedenheit als Kapital
Frustrierte Ärzte und Pflegekräfte, Warnstreiks an über 20 Universitätskliniken und Kündigungswellen in zahlreichen Einrichtungen. Der Fachkräftemangel hat mittlerweile schmerzhafte Folgen für die Krankenhäuser in Deutschland. Und darunter leiden nicht nur die Patienten. Die angespannte Situation vielerorts hat schon jetzt unmittelbaren Einfluss auf die wirtschaftliche Situation der Häuser. Denn der Fachkräftemangel – vor allem in der Pflege – führt zu einer deutlichen Mehrbelastung. Das wiederum zieht mehr Krankheitstage, Belastungsanzeigen, aber vor allem eine tiefe Unzufriedenheit der Pflegekräfte mit der beruflichen Situation nach sich. Viele zerreißt es geradezu, jeden Tag aufs Neue an den eigenen Ansprüchen zu scheitern. Ausfälle werden häufiger und dauern länger, so dass viele Krankenhäuser schon jetzt OP’s oder Stationen schließen, Betten abmelden und auf teure Zeitarbeitskräfte im medizinischen und im pflegerischen Bereich zurückgreifen müssen. Dass all diese Faktoren negativen Einfluss auf die Unternehmenskultur haben, kann niemand bestreiten. Und viele Kliniken erkennen mittlerweile, dass es endlich Zeit wird, sich intensiv mit der Unternehmenskultur im eigenen Haus und den Bedürfnissen der Mitarbeiter*innen zu beschäftigen.
Bislang richteten Klinikmanager den Blick erst nach Innen, wenn sich die Zahl der Kündigungen deutlich erhöhte. Im Arbeitsmarkt von heute beeinflussen jedoch vakante Stellen direkt den Unternehmenserfolg, wie das Beispiel Helios zeigt. So gab Stephan Sturm, Vorstandschef der Helios-Muttergesellschaft Fresenius, auf einer Medizinkonferenz der Investmentbank JP Morgan in San Francisco öffentlich zu, dass die Frustration des Personals und die daraus resultierenden offenen Stellen zu Umsatzausfällen geführt hätten.
Sozialkapital rückt in das Blickfeld
Dabei bilden Kündigungen von Ärzt*innen oder Pflegekräften nur die Spitze des Eisbergs. Entscheiden sich die Beschäftigten zu gehen, ist es für den Arbeitgeber in der Regel viel zu spät, um zu reagieren. Viel wichtiger ist es, frühzeitig zu erkennen, wo und warum die Mitarbeitenden frustriert sind. Nur dann kann die Geschäftsführung dem entgegenwirken.
Denn nicht Kündigungen sind das schlimmste, was einer Organisation wie dem Krankenhaus widerfahren kann, sondern unzufriedene Mitarbeiter*innen, deren Leistungsbereitschaft stetig sinkt und deren Anwesenheit sich durch schlechte Stimmung im unmittelbaren Kollegenkreis bemerkbar macht und die Qualität der erbrachten Leistungen negativ beeinflusst. Ein Aspekt, den das Management mit Blick auf die gesundheitspolitischen Entwicklungen in puncto Qualität keinesfalls unterschätzen sollte. Letztendlich spiegelt sich eine gesunde Unternehmenskultur mit einer zufriedenen Belegschaft auch in der Gesundheit der Angestellten wider. Ein möglicher Wettbewerbsvorteil innerhalb einer Branche, in der aufgrund der hohen Belastungen die durchschnittliche Anzahl der Krankheitstage seit Jahren besonders hoch ist.
Prof. Dr. Achim Baum, Gesellschafter der Münsteraner Kommunikationsagentur lege artis, stellt klar: „Für Krankenhäuser reicht es nicht mehr aus, neben dem eigenen Finanz- und Sachkapital die Mitarbeitenden nur als Humankapital zu betrachten und möglichst effizient einzusetzen. Das Sozialkapital gewinnt in einer Zeit, die geprägt ist von Fachkräftemangel und Arbeitsverdichtung, zunehmend an Bedeutung.“ Denn das Sozialkapital beschreibt Ressourcen, die auf den ersten Blick vielleicht schwer zu erkennen sind, jedoch einen enormen Einfluss auf die Arbeit im eigenen Haus haben. Wie stark ist die Bindungskraft zwischen Ärzten und Pflegekräften eigentlich ausgeprägt? Wie gehen wir mit Konflikten und Problemen um? Welche Unterstützung bekommen wir aus der Führungsebene? Ist das Management an der Sinnhaftigkeit unserer Arbeit und an unserem Wohlergehen als Beschäftigte interessiert? „Dies alles sind Fragen,“ so Baum, „mit denen sich die Verantwortlichen und die Kommunikation in den Kliniken regelmäßig beschäftigen müssen, um in einer zunehmend unsicheren Organisationsumwelt handlungsfähig zu bleiben. Erst dadurch wird ein Haus auch als Arbeitgeber attraktiv.“
Denn die tief verankerten, weitgehend unbewussten Werte und Normen der Unternehmenskultur entziehen sich in der Regel den hektischen Manipulationsversuchen des Managements. Ärzt*innen und Pflegende sind nicht dumm. So schlagen die oft halbherzigen Versuche, mit symbolischen Gesten der eigenen Belegschaft Werte und Wertschätzung vorzugaukeln, nicht selten ins Gegenteil um – statt zu motivieren, provozieren sie eher die innere Kündigung. Dagegen lassen sich jedoch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, ihre soziale Unterstützung und eine mitarbeiterorientierte Führung, die sich nicht zuletzt an der körperlichen und seelischen Gesundheit der Mitarbeiter*innen orientiert, durch ernsthafte Steuerungsbemühungen verbessern.
Ein regelmäßiger Austausch ist unverzichtbar
Damit das gelingt, braucht es einen regelmäßigen Austausch zwischen Management und Belegschaft. Nur so können die Verantwortlichen feststellen, an welchen Themen man gemeinsam arbeiten muss. Austausch bedeutet für das Management, regelmäßig in die Organisation hineinzuhorchen, ehrlich zuzuhören, offen für Veränderungen zu sein und sich selbst darum zu bemühen, als Vorbild zu fungieren: Das Sozialkapital des eigenen Hauses wahrzunehmen und zu verstehen, ist ein langwieriger Prozess. Und schon hier ist eine aktive Unternehmenskommunikation gefragt, die nicht nur Botschaften aussenden, sondern fähig sein sollte, die schon lange unüberhörbaren Botschaften der Beschäftigten auch zu empfangen. Der Weg lohnt sich auf jeden Fall, weil er auf Dauer nicht nur zu einer gestärkten Unternehmenskultur beitragen kann, sondern sich auch aus wirtschaftlicher Perspektive für Krankenhäuser auszahlt.
Hinweis: Auch auf dem 13. Kliniksprechertag am 5. März in Münster wird lege artis die Bedeutung des Sozialkapitals für die Kommunikationsverantwortlichen der Krankenhäuser als zentrales Thema darstellen. Weitere Informationen zur Veranstaltung und zur Anmeldung finden Sie unter www.kliniksprechertag.de.